Ein Interview mit Bastian Krösche zum Leben mit einer PEG
Hallo Bastian, Leben mit PEG, so heißt Dein kürzlich ins Leben gerufener Blog. Vorab erstmal die Frage für die, die es nicht wissen… Was ist eine PEG?
PEG bezeichnet ein chirurgisches Verfahren für die Anlage eine Magensonde. Es steht für Perkutane endoskopische Gastrostomie. Umgangssprachlich wird aber eine PEG‐Sonde häufig auch nur PEG genannt. Mithilfe einer PEG‐Magensonde können Menschen künstlich ernährt werden. Dabei wird über die Sonde flüssige Spezialnahrung direkt in den Magen gegeben. Das kann notwendig werden, wenn jemand gar nicht mehr oder nur noch eingeschränkt schlucken kann.
Ok, dann werden die meisten Leser an dieser Stelle auch den Bezug zur spinalen Muskelatrophie verstehen, denn dies kann eben auch passieren. Wie kam es bei Dir dazu?
Nun, ich lebe auch mit Spinaler Muskelatrophie Typ II. Aufgrund dessen hatte ich als Jugendlicher ebenfalls irgendwann Schwierigkeiten mit dem Abschlucken von Essen. Wie so oft bei SMA war das ein schleichender Prozess.
Wie hast Du das selbst bemerkt?
Tatsächlich habe ich mich immer mal wieder beim Essen verschluckt. Oder ich musste nach dem Essen husten. Manchmal auch schon währenddessen. Da habe ich zunächst überhaupt gar keinen Zusammenhang mit dem Schlucken hergestellt. Irgendwann hatte ich immer öfter Lungenentzündungen und musste ins Krankenhaus. Dort kamen die behandelnden Ärztinnen und Ärzte dann irgendwann darauf, dass da wohl ein Zusammenhang bestehen könnte. Wenn nämlich Essensreste nicht, wie eigentlich vorgesehen, in die Speiseröhre kommen, sondern in die Luftröhre dann ist das nicht im Sinne von Erfinderin Mutter Natur. Für uns SMAler und SMAlerinnen ist das dann nicht nur unschön, sondern kann auch ziemlich schnell ziemlich gefährlich werden. Denn wenn die Krankheit bereits so weit fortgeschritten ist, dass wir nicht mehr ordentlich schlucken können, können wir erst recht nicht mehr ordentlich Abhusten.
Wie hast Du das verarbeitet, nun darüber ernährt zu werden?
Am Anfang war das natürlich eine ganz schöne Umstellung. Aber ich habe sehr schnell die Vorteile schätzen gelernt. Zu der Zeit als ich eine PEG bekam, war Essen schon eine ziemliche Prozedur für mich. Und für mein Umfeld. Essen war anstrengend, hat ewig gedauert und irgendwann auch nicht mehr geschmeckt. Denn bei meinem Tempo wurde das Essen immer kalt. Mit einer PEG‐Sonde läuft das Essen im wahrsten Sinne des Wortes nebenbei. Das heißt, du musst dir keine Sorgen mehr darüber machen, ob du genug Kalorien zu dir genommen hast. Denn, egal ob mit oder ohne Muskelschwäche, wir alle brauchen einiges an Kalorien pro Tag, damit wir überleben. Und mehr noch, damit unser Körper, inklusive aller Organe, überhaupt vernünftig funktionieren kann. Mit der PEG wurde Essen für mich wieder zum Genuss. Denn auch wenn du eine Magensonde hast, kannst du natürlich den Mund immer noch benutzen. Aber du musst es eben nicht mehr. Ich esse also nur noch oral, also „normal“ über den Mund, wenn ich Zeit und vor allem Lust darauf habe. Und wenn ich mich dafür fit genug fühle. Außerdem esse ich nur noch das, was mir wirklich schmeckt. Denn ich muss eben nicht mehr oral essen. Manchmal ernähre ich mich wochenlang nur über die Sonde. Und manchmal, wenn es mir richtig gut geht, müssen meine Assistenzkräfte mehrere Tage hintereinander mit mir kochen.
Hattest Du Angst?
Natürlich hatte ich Angst. Große Angst sogar. Rückblickend lag das aber vor allem daran, dass ich seinerzeit kaum Informationen bekommen habe. Für die Ärztinnen und Ärzte ist das nur ein Routine‐Eingriff. Für dich bedeutet es, dass sich dein Leben grundlegend verändern wird. Da fehlt vielen medizinischen Fachkräften dann häufig auch schlicht das Einfühlungsvermögen. Das ist ja auch der Grund, warum ich meinen Blog „Leben mit PEG“ gestartet habe. Damit du dich wirklich umfassend zu dem Thema informieren kannst. Und damit du Informationen und Erfahrungen von jemandem bekommst, der wirklich selbst weiß, wie das ist und nicht bloß aus dem Medizinstudium oder den Erzählungen Dritter.
Nun hast Du ja den Blog um darüber ein zu berichten, aber was kannst Du anderen Betroffenen hier noch mit übergeben wenn sie auch vor der Entscheidung stehen ob Sie diesen Weg gehen?
Also erst mal natürlich: Lest meinen Blog! (lacht) Aber nein, ernsthaft, lest meinen Blog. Und nutzt gerne auch die Kommentarfunktion, um konkrete Fragen zu stellen. Informiert euch auch woanders und sprecht mit euren behandelnden Ärztinnen oder Ärzten ausführlich über das Thema. Und seid offen für eine PEG. Das ist wirklich ein tolles Hilfsmittel, das vieles in unserem Leben mit SMA vereinfachen kann. Egal ob es das Infektionsrisiko durch verschlucktes Essen verringert, mehr Kalorien und damit mehr Energie bringt oder einfach mehr Zeit, weil man nicht mehr 1 Stunde mit einer Mahlzeit beschäftigt ist. Oder noch mehr. Sehr oft bin ich zum Beispiel am Frühstücken und Zähneputzen gleichzeitig. (lacht) Vor allem aber denkt daran, dass eine Magensonde nicht automatisch bedeutet, dass man nichts „richtiges“ mehr essen kann. Vieles kann, aber nichts muss mehr.
Was müssen sie für den Einstieg beachten? Worauf müssen sie achten?
Bereitet euch vor. Ernährung, egal ob mit oder ohne Magensonde, ist ein sehr umfangreiches Thema. Das ändert sich auch nicht mit einer PEG. Im Gegenteil. Anfangs kommen einige neue Aspekte hinzu.
Welches Zubehör benötigst du? Welche Sondennahrung möchtest du zu dir nehmen? Und wobekommst du das alles her?
Und um hier gleich mal für ein bisschen Entspannung zu sorgen: Es gibt spezialisierte Dienstleister für diesen Bereich. Ansprechpartner vermittelt dir das Krankenhaus oder deine Krankenversicherung. Aber es ist dein Körper! Also beschäftige dich auch selbst ein bisschen mit der Thematik. Das gibt dir
Kontrolle und Sicherheit.
Kannst Du ihnen eine bisschen die Angst nehmen?
Traut euch! Die ersten Tage nach der Anlage sind die schlimmsten. Da will ich ganz ehrlich sein. Denn natürlich findet es dein Körper erst mal nicht gut, wenn da plötzlich ein Loch ist, was so eigentlich nicht vorgesehen war. Erst recht nicht, wenn darin noch ein Fremdkörper, nämlich die Sonde, steckt. Genau zu dem Thema kommt übrigens auch der nächste Beitrag auf meinem Blog. Aber wenn die ersten Tage danach geschafft sind, werdet ihr die neue Freiheit, die tatsächlich durch eine PEG‐Sonde kommt, sehr schnell zu schätzen lernen.
Bastian, ich Danke Dir für den Austausch!
Sehr gern!
Weitere Infos zum Thema von Bastian dann im erwähnten Blog.