Die Fachoberschule (2015 – 2017)

In der elften Klasse kam leider vieles auf mich zu, womit ich nicht gerechnet hätte! Das erste halbe Jahr verlief gut, der Unterrichtsstoff fiel mir leicht und wenn nicht, dann lernte ich genug, dass es zu keinem Problem kam.

In der FOS hat man in der elften Klasse zwei Tage Schule und drei Tage Praktikum, aber ich kann ehrlich sagen, dass mir das Praktikum besser gefiel als die Schule. Mein Praktikum im Büro gefiel mir sehr gut. Ich verstand die Arbeitsabläufe schnell und durfte nach ein paar Monaten auch schon eigenständig Aufgaben erledigen oder alleine im Büro arbeiten, es war eine große Verantwortung, die ich gut gemeistert habe. Spaß machte mir das Ausrechnen der Taschengelder aber auch kleinere Aufgaben wie die Ablage machen, bereiteten mir Freude.

Nach ungefähr sechs Monaten merkte ich, dass sich irgendetwas mit meinem Nacken veränderte, er fühlte sich plötzlich so weich an. Das nahm ich aber nicht ernst, ich dachte es würde schon nichts Schlimmes sein. Also bin ich am nächsten Morgen ganz normal zum Praktikum gegangen und nach einem ganzen Arbeitstag vor dem Computer merkte ich, dass es nicht besser wird, die Fahrt nach Hause verbesserte auch nichts daran und am Abend merkte ich, dass es jetzt endgültig vorbei sei. Ich konnte meinen Kopf gar nicht mehr halten, er hang nur noch nach vorne oder zur Seite. Ich konnte mir das nicht erklären, ich kann sagen, dass es ein schlimmes Erlebnis für mich war. Ich hatte überhaupt keine Kontrolle mehr, ich konnte meinem Kopf weder bewegen noch anheben. Meine Eltern waren auch total erschrocken, meine größte Angst war „Ist meine Krankheit schlimmer geworden?“ und „Hoffentlich bleibt das nicht so!“ Ich legte mich sofort hin in der Hoffnung, dass es dann wieder weg geht, weil ich doch gerne am nächsten Tag zum Praktikum wollte. Aber am Morgen war es nicht anders, ich konnte meinen Kopf nicht halten, deswegen fuhren meine Eltern und ich ins Krankenhaus. Da wir Angst hatten, dass sich vielleicht eine Schraube im Rücken gelockert haben könnte. Ich kann Sie schon mal beruhigen, es war nichts Schlimmes! Von der Notaufnahme wurde ich weitergeleitet an die Orthopädie, dort musste ich noch ewig warten und ich konnte wirklich nicht mehr, es war so anstrengend irgendwie den Kopf auch nur etwas aufrecht halten zu können. Mein Papa fragte zwar mehrmals nach, wann es den endlich weiter gehe, aber sie meinten nur, wir müssten uns noch etwas gedulden. Nach einer weiteren halben Stunde reichte es mir, ich sagte zu Papa: „Fahr mich mal zur Rezeption“. An der Rezeption platze mir im wahrsten Sinne des Wortes der Arsch, ich sagte: „Ich weiß, dass sie viel zu tun haben aber mir reicht es jetzt, ich halte es nicht mehr aus! Ich sitze jetzt schon ewig hier und sehe, dass ihre Kollegen schon sonst wie lange rumsitzen und nichts tun und die anderen hier nur essen, die sollen jetzt mal was tun“.

Dann ging es auf einmal innerhalb von fünf Minuten los, der Arzt kam und untersuchte meinen Nacken genau, dann schaute er sich noch meine Röntgenaufnahmen von meinem Rücken von vor einem Jahr an. Anschließend sagte er, dass am Rücken nichts passiert sein kann, da die Schrauben sich schon gut verwachsenen haben und man das am Rücken sehen würde, wenn etwas rausgerissen wäre.

Er sagte ich hätte einen total überlasteten Nacken, deswegen machen die Muskeln im Moment nicht das, was sie tun sollten. Aber das würde nicht für immer so bleiben, das fand ich doch sehr beruhigend. Der Arzt verschrieb mir dann ein Rezept für Massagen und heiße Rolle, dann eröffnete er mir, dass ich eine Woche nicht zum Praktikum und zur Schule dürfte, damit sich der Nacken erholen könne. Und ich sollte ab jetzt nur noch vier Stunden täglich zur Arbeit und zur Schule, damit sowas nicht mehr vorkommt und das Überanstrengung für meine Krankheit nur kontraproduktiv wäre. Davon war ich natürlich, wie Sie sich denken können, überhaupt nicht begeistert, weil ich keine extra Würste mag.

Am selben Tag rief ich bei meinem Praktikumsbetrieb an, ich hatte solche Angst, dass ich entlassen werde. Aber für sie war das überhaupt kein Problem mit der Teilzeitarbeit, sie meinten, die Gesundheit gehe nun mal vor. Dann musste ich es noch in der Schule ansprechen, das fand ich noch schlimmer, weil es eine Vorschrift gab, dass man 960 Stunden Praktikum absolvieren muss, um in die zwölfte Klasse versetzt zu werden. Das würde ich jetzt wohl nicht mehr schaffen. Ich musste zum Leiter der FOS, der war von meiner ärztlichen Bescheinigung nicht begeistert und sagte er wüsste nicht, ob ich die FOS mit weniger Praktikumszeit abschließen könnte. Ich sagte, ich hätte schriftlich vom Arzt, dass ich nicht mehr als vier Stunden kann und darf, darauf sagte ich, dass es dafür bestimmt Gesetze gäbe, dass man aus gesundheitlichen Gründen nicht benachteiligt werden darf. Er sagte, sie müssen das auf einer Konferenz beschließen, denn wie er sehe, sei ich eine gute Schülerin. Ich sagte noch, ich werde trotzdem von der ersten bis zur sechsten Stunde anwesend sein, gut das wir nicht länger hatten, außer manchmal, aber dort war der Sportunterricht, an dem ich nicht teilnehmen musste.

Wochen vergingen und ich wusste nicht, ob ich die Fachoberschule anerkannt bekomme oder nicht, dann endlich die erleichternde Nachricht: es würde mir angerechnet werden, da alle Lehrer in der Konferenz dafür stimmten und es tatsächlich ein Gesetz gab, dass man aus gesundheitlichen Gründen nicht benachteiligt werden darf. Darüber war ich sehr froh, zum Ende des Praktikums hatte ich auch nicht viel weniger Stunden, da ich die Ferien immer durchgearbeitete habe. Nach ein paar Wochen konnte ich meinen Kopf auch wieder ohne meine Hände halten und bewegen. Bis heute bekomme ich Massagen und die heiße Rolle, das kann ich wirklich jedem mit Nackenproblemen und Rückenproblemen empfehlen. Ungefähr zur selben Zeit bekam ich einen Anruf aus Essen, sie wollten die Studie weiter fortsetzen zusammen mit mir als Teilnehmerin.

Ich musste leider ablehnen, da die lange Fahrt viel zu viel für meinen Nacken geworden wäre. Das verstanden die Ärzte, sie wollten mich über den weiteren Verlauf auf dem Laufenden halten. Das funktionierte aber nicht, ich habe bis heute nichts mehr aus Essen gehört. Das Praktikum machte mir weiter Spaß und in der Schule hatte ich keine Probleme. Kurze Zeit später kam aber das nächste schlimme Ereignis in unsere Familie.

Ich kam nach dem Praktikum nach Hause und das Telefon klingelte, meine Mama ging ans Telefon. Meine Oma war total aufgelöst und weinte, sie sagte, dass ein Familienmitglied gestorben sei. Wir haben das erst überhaupt nicht geglaubt, da das Familienmitglied noch jung war, aber der Herzinfarkt war so stark, dass er sofort verstarb. Ich, also wir alle, konnten es nicht glauben und wollten es auch nicht wahr haben. Wir alle mussten weinen, er war ein hilfsbereiter, freundlicher, netter, ehrlicher, direkter, tüchtiger, humorvoller und Herzensguter Mensch, sonst war er immer gut drauf und half jedem. Ich verstehe nicht, warum die guten Menschen zuerst sterben müssen, das ist wirklich ungerecht!

Auf der Beerdigung von ihm waren viele Menschen, sie haben nicht mal alle in die Kirche gepasst, sie standen bis auf die Straße. Es war schön zu sehen, dass er so vielen Menschen etwas bedeutete. Da fragte ich mich, wer würde wohl zu meiner Beerdigung kommen, mir fielen nicht viele ein außer meine Eltern, meine Schwester, meine Großeltern, meine Tante, meine Cousinen, mein Cousin und Lisa, auch sonst machte ich mir viele Gedanken. Zum Beispiel, „Bist du mit deinem Leben zufrieden, was willst du in dein Leben erreichen?“. Dort wurde auch die innere Stimme wieder lauter „Du passt nicht ins Büro und du willst es auch nicht, du willst was mit Menschen machen. Und du musst viel trainieren um fit zu bleiben, falls mal eine Therapiemöglichkeit erfunden wird“. Außerdem dachte ich, wie schrecklich das für seine Frau und seine drei Kinder sein muss. Für mich und für jeden anderen ist es die schlimmste Vorstellung ein Elternteil zu verlieren, es würde mir den Boden unter den Füßen wegziehen. Ich glaube, ich würde mich total zurückziehen und hätte keinen Antrieb mehr, aber besonderes der Schmerz des Verlustes wäre für mich nicht auszuhalten. Ich denke ich würde mich aufgeben. Des Weiteren bekam ich Angst vor dem Tod und stellte mir fragen, wie „Gibt es irgendetwas nach dem Tod, oder ist da das Nichts?“ Das finde ich eine schlimme Vorstellung, diese Fragen versuchen wir am liebsten das ganze Leben zu verdrängen, weil wir uns mit dem Gedanken nicht auseinandersetzen wollen, da wir dann zugeben müssten, dass wir Angst vor dem Ende haben und das wollen wir nicht. Deswegen vermeiden wir auch darüber zu sprechen und daran zu denken. In der Gesellschaft ist das Thema ein Tabu.

Die ersten Wochen hatte ich immer Träume von ihm: im letzten Traum waren wir auf einer großen Feier, die ganze Familie war dort, alle lachten und hatten Spaß. Ich sah ihn auf einmal und sagte: “Da ist er!“, aber keiner außer mir konnte ihn sehen. Dann winkte er mir zu und ging eine Treppe hoch zu einem hellen Licht.

Sofort danach wurde ich wach und dachte, ich darf über solche Sachen nicht mehr lesen oder solche Filme schauen. Aber irgendwie beruhigte es mich, ich glaube der Traum sollte mir zeigen, dass er will, dass wir alle weiter zusammen feiern und lachen. Da er das selbst am liebsten getan hatte.

Die Monate vergingen und die elfte Klasse war geschafft, das Praktikum war beendet, darüber war ich etwas traurig, da meine Kollegen wirklich super waren.

Aus diesem Grund werde ich meine Kollegen immer in guter Erinnerung behalten! Mit meinem Zeugnis war ich nicht ganz zufrieden, aber in der zwölften Klasse wollte ich alles geben.

In der zwölften gab ich mir richtig Mühe, weil ich wusste, dass es jetzt auf etwas ankommt. Wir bekamen einen anderen Mathelehrer und eine andere Deutschlehrerin. Der Mathelehrer war der Leiter der FOS, der damals nicht begeistert war, dass ich nicht mehr so lange am Praktikum und zur Schule konnte, aber er hatte auch nur seine Vorschriften, an die er sich zu halten hat. Deswegen nahm ich mir vor ihm zu zeigen was ich schulisch drauf habe, ich riss mir wirklich den Arsch auf. Das zeigte sich auch: die erste Klausur eine zwei, die Zweite eine eins, die Dritte eine eins und die Vierte eine zwei, auf die ich aber aufgrund einer ausgleichenden Aufgabe auch noch auf eins bekam. Mündlich gab ich auch alles, dadurch konnte ich zeigen, dass ich die elfte Klasse zurecht angerechnet bekommen hatte. Die neue Deutschlehrerin war streng, aber ich lernte bei ihr mehr in Deutsch als die ganzen Jahre davor. So dass ich mich jetzt zum Beispiel bei Vorstellungsgesprächen perfekt ausdrücken kann und seitdem kann ich auch gut formulieren, das ist für mich sehr hilfreich zum Beispiel, wenn ich Anträge schreiben muss. Irgendwie hat sie mich auch dazu inspiriert zu schreiben, da sie gesagt hatte, dass jeder schreiben könne, es komme nur darauf an, wie viel man an sich arbeitet und wie sehr das Herz dranhängt und das man Mut braucht, sich der Welt zu offenbaren. Sie hat mir beigebracht, Bücher zu schätzen, ich war vorher nie jemand der gerne ein Buch gelesen hat, ich habe sie nur gelesen, wenn ich musste zum Beispiel für die Schule, aber sie hat mir bewusst gemacht, es seien nicht nur Bücher, nein es sind Werke, in den viel Arbeit, Kreativität, Leidenschaft und Mühe steckt.

Etwa einen Monat danach bekam ich die größte und, am besten verheimlichte Überraschung, in meinem Leben. Ich fuhr ganz normal in die Schule, dann stand auf einmal Lisa vor der Schule. Ich sagte zu ihr:“ Was machst du denn hier?“ und sie antwortete: “Wir gehen jetzt wieder zusammen auf eine Schule“. Sie hatte vorher schon ein paar Andeutungen gemacht, aber ich dachte nicht, dass es Wirklichkeit wird. Also waren wir nach acht Jahren wieder auf einer Schule, sie war zwei Mal die Woche in der Schule, da sie eine Ausbildung zur Zahnarzthelferin machte, bevor sie ihr Studium zur Zahnärztin beginnt. Die zwei Wochentage wurden dann die besten, wir hatten jede Menge zu erzählen in jeder Pause. Wir erzählten uns alles, es gab nichts, was wir nicht besprechen konnten. Wir hatten viele Themen zum Beispiel über die Schule, Lehrer, Freunde, Familie und Politik.

Über die Politik konnten wir viel diskutierten, da wir mit einigen Entscheidungen und Gesetzen nicht einverstanden waren. Ab dort führten wir einen Mädelsabend ein, nur wir zwei, aber meistens drei mit meiner Schwester: quatschen, Pizza, Spiele, einen Horrorfilm und meistens ein kleines Fotoshooting. Hier ein Bild für Sie, damit sie mal ein Bild zu den Personen haben, von den ich ihnen erzähle. Auf dem Bild links das ist Lisa, in der Mitte das bin ich und rechts ist eigentlich Luisa (die nicht gezeigt werden möchte).

Lisa war erst nicht von Horrorfilmen begeistert, aber nach dem ersten Film fand sie gefallen an dem Chrome, ich liebte diese Art von Film sowieso und bei meiner Schwester kommt es auf den Film an. Wir lachten auch sehr viel, wenn wir drei nämlich erstmal zusammen sitzen kommt ein lustiger Spruch nach dem anderen oder Geschichten von früher. Da kann man nicht anderes außer Tränen lachen. Meine Familie ist von Lisa begeistert, meine Mama sagt, sie gehöre doch schon zur Familie.

Die nächsten Monate verliefen gut und ich dachte, jetzt passiert erstmal nichts Schlimmes, aber da wurde ich wieder eines Besseren belehrt. Mein Opa (der Vater meiner Mutter) bekam starke Schmerzen in der Brust, meine Tante fuhr ihn sofort ins Krankenhaus. Gut, dass meine Tante Krankenschwester ist und es gleich richtig eingeschätzt und gehandelt hat!

Meine Tante heißt Jessica, sie ist nett, freundlich, hilfsbereit, lieb, klug, lustig, eher ruhig, empathisch, sympathisch und künstlerisch total talentiert, da kann man wirklich neidisch werden. Sonst hat sie drei liebe Kinder. Mein Opa hatte einen Schlaganfall und die Ärzte fanden heraus, dass seine Cholesterinwerte extrem hoch sind. Dadurch gehen die Adern und Venen zu, die Folge kann ein Schlaganfall oder ein Herzinfarkt sein. Die Ärzte fanden außerdem heraus, dass die hohe Cholesterinwerte bei uns erblich bedingt sind und wir uns sofort testen lassen sollten.

Und tatsächlich: meine Mutter und meine Schwester haben zu hohe Cholesterinwerte, deswegen bekommen sie und mein Opa dagegen Medikamente. Meine Werte waren gut, darüber war ich froh! Die Ärzte meinten auch, dass das die Ursache für den Herzinfarkt des verstorbenen Familienmitgliedes war. Gott sei Dank hatte mein Opa einen leichten Schlaganfall, er erholte sich schnell und konnte nach zwei Wochen Krankenhausaufenthalt das Krankenhaus verlassen. Ach mein Opa, er ist nett, freundlich, hilfsbereit, klug, lieb, empathisch, sympathisch, eher ruhig und zurückhaltend, handwerklich absolut begabt und sonst interessiert er sich sehr für Fußball. Er ist der Opa den man sich wünschen würde, wenn man das könnte!

Ein paar Monate später standen schon die Abschlussklausuren bevor, ich fing einen Monat vorher an mir Lernzettel mit den wichtigsten Informationen zu machen. Meine Freundinnen Johanna, Svenja und ich schickten uns gegenseitig die Lernzettel zu, so konnten wir unsere Lernzettel ergänzen. Wenn jemand etwas nicht konnte, dann erklärten wir es uns gegenseitig. Ich glaube, ich habe noch nie so viel gelernt wie vor diesen Prüfungen und durch unseren Austausch fühlte ich mich gut vorbereitet. Ach Johanna, sie ist nett, höflich, lieb, freundlich, hilfsbereit, klug, sympathisch, empathisch, ein Teamplayer und man kann sich sehr gut mit ihr unterhalten und lachen. Sonst haben wir viel gemeinsam und sind in schweren bzw. schlimmen Momente füreinander da. Svenja ist nett, höflich, freundlich, hilfsbereit, lieb, klug man kann sich gut mit ihr unterhalten und wir waren ein gutes Team zum Beispiel in Mathe: wir stellten immer gemeinsam die Hausaufgaben und weiteres vor. Ich machte auch viel mit Inka, sie ist nett, freundlich, hilfsbereit, klug, lustig und wir haben viele Gemeinsamkeiten: wir mögen die selben Serien und wir haben auch die selbe Lieblingsfarbe. Ich habe mit den dreien bis heute Kontakt.

Die Deutschklausur verlief gut, ich konnte alles gut beantworten und dachte mir, schlecht kann es nicht sein. Die Englischklausur verlief wie erwartet, ich wusste ja, dass es nicht mein bestes Fach ist, aber ich beantwortete fast alles außer bei den Leseverständnissaufgaben, weil ich wusste, dass die Fragen nicht so viel zählen, wie der schriftliche Teil, deswegen bearbeite ich lieber diesen Teil komplett. Ich konnte nach der Prüfung nicht sagen, wie es gelaufen ist. Vor der Matheklausur war ich total aufgeregt, weil ich unbedingt eine eins haben wollte.

Aber als ich die Hälfte nochmal mit dem Taschenrechner nachrechnete, wurde mein Verdacht bestätigt, ich hatte irgendwo einen Fehler gemacht. Also sagte ich zu mir: „Alles ist gut, du hast noch Zeit und fängst einfach nochmal neu an“. Danach funktionierte es gut und sogar das Kontrollieren durch den Taschenrechner ergab endlich dasselbe Ergebnis, deswegen wusste ich, jetzt könnte es eine gute Note werden. Die Wirtschaftsprüfung, die mit Themen von drei Fächern gefüllt würde, war für mich wirklich schwer und als ich sie hinter mich gebracht hatte dachte ich, ich hätte total versagt. Dann mussten wir eine gefühlte Ewigkeit auf die Ergebnisse warten.

Aber dann bekamen wir die Ergebnisse: ich habe überall die Note geschrieben, die ich erwartet hatte. In Deutsch kam ich insgesamt auf eine drei, in Englisch genau dasselbe und in Mathe eine eins. Wer hätte das gedacht, dass ich in Mathe mal auf eins komme, ich hätte da früher nie dran geglaubt! Die Wirtschaftsprüfung zählte in den Durchschnitt deswegen bekam ich keinen Schnitt von 2,1 sondern von 2,2 da ich in Wirtschaft nur eine drei geschrieben hatte. Über die drei war ich froh, ich dachte, ich hätte eine fünf geschrieben. Vorher war ich in Wirtschaft immer besser gewesen, aber ich war insgesamt einigermaßen zufrieden mit dem Durchschnitt. Auf die Abschlussfeier freute ich mich sehr, ich kaufte mir ein schwarz-weißes Kleid mit Spitze und 10 cm hohe schwarze Pumps. Gut ist, ich muss nicht auf ihnen laufen, das ist mal ein Vorteil den man hat, wenn man im Rollstuhl sitzt. Zur Abschlussfeier kamen meine Eltern, meine Schwester und Lisa, ich bekam mein Zeugnis und damit einen Abschluss, den ich eigentlich nicht haben wollte, aber ich war doch irgendwie froh darüber. Danach redeten Lisa, Luisa und ich noch eine Zeit und machten ein kleines Fotoshooting. Die Bilder wurden auch wirklich schön. Hier können Sie eins der Bilder sehen:

Nach meinem Abschluss wusste ich nicht, wie es weiter gehen soll, ich hatte nämlich auf jede Bewerbung eine Absage bekommen. Die Absagen wurden teilweise wirklich schlecht begründet. Zum Beispiel hatte ich mich im Nachbardorf beworben als Kauffrau für Büromanagement. Es hing ein großer Aushang an dem Unternehmen auf den ich mich daraufhin beworben hatte. Schon nach kurzer Zeit bekam ich eine Absage mit der Begründung, sie hätten sich für einen anderen Bewerber entschieden. Aber der Aushang hing immer noch am Unternehmen. Deswegen hat meine Schwester mit einem anderen Nachnamen angerufen und gefragt, ob die Stelle noch zu haben wäre.

Und tatsächlich, sie hatten noch niemanden, da war mir klar, dass die Absage an meinem Rollstuhl lag, dies kam leider öfter vor. An meinem Abschluss konnte es nicht liegen, da ein Realschulabschluss gereicht hätte. Ich würde es besser finden, wenn sie in den Absagen die Wahrheit schreiben würden, z.B. „Es ist uns nicht möglich, ihnen eine Ausbildung anzubieten, weil unser Unternehmen nicht barrierefrei ist“. Das wäre für einen selbst angenehmer, weil man dadurch nicht bei sich die ganzen Fehler sucht.

Deswegen überlegte ich was ich mit meiner Zeit anfangen kann ohne, dass eine Lücke in meinem Lebenslauf entsteht und dass ich mich nicht den ganzen Tag langweile. Mein Papa sagte: “Mach doch ein freiwilliges soziales Jahr (FSJ)“. Diese Idee fand ich nicht schlecht. Im Internet schaute ich nach, wo man sein FSJ absolvieren kann. Am interessantesten war für mich das Arbeiten mit Senioren, ich suchte mir die Telefonnummer raus und rief beim Internationalen Bund an. Ich sprach mit einem netten Herren der meinte, es würde wahrscheinlich schwierig werden eine Einsatzstelle zu finden, in der es möglich ist, in Teilzeit zu arbeiten. Aber er wird nach Stellen suchen und sich wieder melden. Ich fragte ihn, ob ich mich auch selbst um eine Stelle kümmern könnte, er sagte, ich könne das natürlich tun. Noch am selben Tag suchte ich mir zu jedem Altenheim und Pflegeheim in der Nähe die Telefonnummer heraus. Ich schrieb mir einen Zettel, damit ich alle Telefonnummern am nächsten Tag nur noch wählen musste. Als mein Papa den Zettel mit den Heimen fand sagte er mir, es wäre richtig gut, wenn ich mein FSJ im GDA absolvieren kann. Er sagte das ist am nächsten zu uns und sie haben einen guten Ruf. Ich schaute mir im Internet das GDA an und war begeistert von der Vielseitigkeit und den tollen Angeboten für die Senioren. Als ich am nächsten Tag dort anrief, gab ich mir besonders viel Mühe beim Telefonat. Die Dame lud mich sofort zum Vorstellungsgespräch ein. Ich habe mich darüber sehr gefreut und als das Vorstellungsgespräch näher rückte, war ich nervös, aber ich wollte mich beruhigen damit ich überzeugen kann. Das Gespräch verlief sehr gut und sie sagten ich könnte mein FSJ im Stationären Bereich machen, da dort die Gänge breiter wären und dass es zum Vorteil bei einem Rollstuhl sei. Anschließend fragten sie mich noch, ob ich ein Probetag machen möchte. Ich sagte: „Ja, sehr gerne“.

Ein paar Tage später war es soweit und meine Assistentin und ich standen für den Probetag bereit. Wir wurden von einer netten Frau abgeholt, sie erzählte uns, wie der Tag ablaufen würde. Als erstes gingen wir auf die Gerontopsychiatrie (Demenzstation) in ein Zimmer in dem zwei ältere Damen waren. Sie waren bettlägerig und die eine Seniorin brauchte Unterstützung beim Essen. Ich wurde vorgestellt und unterhielt mich etwas mit den beiden netten Seniorinnen, aber ich blieb im Hintergrund, weil ich genau beobachten und lernen wollte, wie die Frau ihr Angebot gestaltet. Nach dem Frühstück machte die Frau noch etwas Gedächtnistraining mit Fragen, die wirklich nicht einfach waren. Daher wusste ich, dass die Demenz noch nicht weit fortgeschritten sein kann.

Anschließend gingen wir auf eine andere Station, dort waren alle Senioren geistig fit aber körperlich teilweise eingeschränkt. Ich bekam die nächsten älteren Damen und Herren vorgestellt, alle waren sehr nett. Danach sagte mir die Frau, dass wir jetzt eine Gruppe machen, ich glaube es war eine Runde von zehn Personen. In der Gruppe wurde ein Gegenstand in einer Tasche versteckt, den wir dann ertasten konnten. Nach dem der Gegenstand erraten wurde, wurde eine passende Geschichte vorgelesen. Jeder in der kleinen Gruppe hatte Spaß an dem Angebot. Eine halbe Stunde später wurde die Gruppe wieder aufgelöst und ich kam mit einer älteren Dame ins Gespräch, sie erzählte mir, was sie im Moment bedrückt und ihre komplette Lebensgeschichte. Als es dann Zeit zum Mittagessen war, beendeten wir das Gespräch. Sie bedankte sich bei mir fürs zu Hören und dass es ihr durch das Gespräch besser gehe. Da wusste ich, das ist es was mir immer bei der Arbeit im Büro gefehlt hatte.

Danach beendete die Frau den Probetag und sagte mir, dass ich es gut gemacht habe und sie sich freut mich im September wiederzusehen. Zwei Tage später rief mich die Chefin von dem Stationären Bereich an und sagte, dass ich mein FSJ bei ihnen machen kann. Sofort danach meldete ich mich bei meinem Ansprechpartner beim Internationalen Bund und sagte, dass ich einen FSJ-Platz habe. Er sagte, das sei super, dann mache er die Verträge fertig und schicke sie mir zu. Er sagte, dass ich nur kein FSJ mache, sondern ein BFD das bedeutet Bundesfreiwilligendienst, weil man nur das BFD in Teilzeit machen kann und beim FSJ würde das nicht gehen. Er hat gesagt dadurch ändert sich nichts, nur halt der Name. Anschließend erzählte mir mein Ansprechpartner, dass es während des BFD fünf Mal für fünf Tage die Woche ein Seminar gebe, an dem es Pflicht sei, teilzunehmen um den Bundesfreiwilligendienst angerechnet zu bekommen. Damit war das schon mal abgeschlossen und ging ohne Probleme. Jetzt begann aber erst der richtige Ärger! Ich musste mich um die Finanzierung des Fahrdienstes und meiner Assistentin kümmern. Schon bevor alles feststand mit dem BFD habe ich einen Antrag erstellt und beim Arbeitsamt eingereicht. Es war für mich nur logisch, dass ich meinen Antrag beim Arbeitsamt einreichen muss, weil ich jetzt ins Arbeitsleben einsteigen würde.

Da der Landkreis die schulischen Kosten trägt und sie meinten, wenn ich die Schule abgeschlossen habe, wären sie nicht mehr für mich zuständig, deswegen reichte ich den Antrag dort ein. Ich bekam lange keine Rückmeldung bis ich zu einem persönlichen Gespräch eingeladen wurde. Dort wurden mir dann fragen gestellt, wie warum ich ein BFD machen möchte, warum es für meine Zukunft relevant wäre und warum ich keine Ausbildung machen möchte. Ich erklärte, dass ich nur Absagen auf meine Bewerbungen bekommen habe, zum Beweis habe ich extra alle Absagen aufgehoben und mit zu diesem Gespräch genommen. Nicht, dass sie mir sonst vorgeworfen hätten, dass ich mich um nichts gekümmert hätte.

Dann erklärte ich, dass ich den BFD machen will um zu sehen, ob ich dem Beruf der Betreuungskraft körperlich gewachsen wäre und dies müsste über einen längeren Zeitraum stattfinden, da mein Problem mit dem Nacken bei den Arbeiten als Kauffrau für Büromanagement während des Praktikums auch erst nach über einem halben Jahr aufgetreten war. Deswegen hätte der BFD die passende Länge um das festzustellen, außerdem wäre es in diesen Beruf kein Problem in Teilzeit zu arbeiten. Gut, dass ich mit den Fragen gerechnet hatte, deswegen hatte ich gleich gute Begründungen parat. Sie sagte, das wären gute Gründe, aber dass sie so etwas nicht finanzieren würden. Dann sagte die Dame, ich könnte auch in eine Bildungsstätte gehen, die würden die Schulische Ausbildung für Kauffrau für Büromanagement in Teilzeit anbieten. Die Schule wäre aufgebaut wie ein Internat und für die Pflege wäre gesorgt. Ich fragte wo diese Bildungsstätte sei, weil ich hier davon noch nie gehört hatte. Sie antwortete, in Hannover. Ich sagte:“ In Hannover? Ich will gar nicht von hier wegziehen, weil hier meine Familie, Freunde, Therapeuten und Ärzte sind. Außerdem hatte ich das schon oft gehört, dass die Pflege gesichert wäre, ich hatte schon so VIELE qualifizierte Assistenten, die sich vorgestellt hatten und die haben es trotzdem nicht hinbekommen. Außerdem möchte ich keinen Büroberuf mehr ausüben, da dies meine Nackenprobleme nur wieder verstärken würde. Hier in Deutschland hat man das Recht auf freie Berufswahl und deswegen werde ich das nicht machen“. Ich sagte außerdem zu der Dame, dass ich dann noch die schriftliche Absage brauche, dass sie den BFD nicht finanzieren, damit ich nach anderen Kostenträger suchen kann, damit ich dann diese Ablehnung vorlegen kann, falls mich die anderen Ämter wieder zu ihnen schicken wollen. Sie sagte, dann müsste ich nur diesen Antrag ausfüllen, dann schicke sie mir die Ablehnung zu. Am nächsten Tag wusste ich nicht wohin ich mich jetzt am besten wenden sollte, natürlich habe ich beim Integrationsamt angerufen, aber die sagten mir, sie tragen erst die Kosten, wenn ich richtig ins Arbeitsleben einsteige. Deswegen wendete ich mich an die Sozialarbeiterin die mir beim Abi geholfen hatte, sie antwortete mir, dass sei in der Tat etwas schwierig und sie würde auch keinen Fall kennen. Aber sie wolle recherchieren und sich dann bei mir wieder melden.

Mein Vater rief dann noch beim Gleichstellungsbeauftragten der Stadt an, der sagte, er würde sich richtig reinhängen und sich dann wieder melden. Bis heute habe ich noch nichts von ihm gehört, aus diesem Grund halte ich nicht viel von Gleichstellungsbeauftragten, weil nichts vorankommt und man nicht mal eine Rückmeldung bekommt. Ich denke, deswegen ist die Gleichstellung in Deutschland auch noch so zurückgeblieben! Aber auf die Sozialarbeiterin war Verlass, sie meldete sich schnell zurück und sagte, wenn ich vom Arbeitsamt und vom Integrationsamt eine Ablehnung bekommen habe, muss der Landkreis zahlen. Ich setzte mich sofort an den PC und schrieb einen Antrag und fügte eine Kopie der Ablehnung vom Arbeitsamt und dem Integrationsamt bei.

Dann vergingen wieder Wochen und inzwischen hatte ich meine BFD-Stelle bekommen. Aus dem Grund rief ich beim Landkreis an, aber ehe ich den richtigen Ansprechpartner am Telefon hatte, verging viel Zeit und sie konnten mir dann noch nicht sagen, ob sie die Kosten tragen werden. Zwei weitere Wochen vergingen und ich rief wieder an, jetzt hatte ich plötzlich einen anderen Ansprechpartner das Gute war, er war ein Freund meines Papas, deswegen ließ ich meinen Vater mit ihm sprechen. Erst sagte der Mann zu meinem Papa, es sehe nicht gut aus, aber zwei Tage später rief er an und sagte, jetzt sehe es gut aus, weil die anderen Stellen (Ämter) die Übernahme der Kosten verweigerten, müssen sie die Kosten tragen. Er lud uns zu einem persönlichen Gespräch ein, dort sagte der Freund von meinem Papa, dass der Landkreis die Kosten tragen werde, in Form eines persönlichen Budgets. Das bedeutet, ich bekomme die Kosten für den Fahrdienst und den Assistentinnen auf mein Konto überwiesen und ich muss mich selber um alles kümmern, also die Abrechnungen kontrollieren und dann das Geld an den Fahrdienst und meinen Assistentinnen überweisen. Wenn der BFD abgeschlossen ist, bin ich verpflichtet nachzuweisen, dass ich von dem Geld alles bezahlt und es nicht für mich selbst behalten habe. Deshalb musste ich auch eine Vereinbarung eine Woche vor Beginn des BFDs unterschreiben. Dann musste ich einen Fahrdienst organisieren, der zu dieser Zeit fahren kann und am günstigsten ist. Es blieb leider wieder der Fahrdienst von vorher, aber das war mir in diesem Moment egal, den jetzt konnte endlich nach über acht Wochen hin und her mit den Behörden mein BFD beginnen. Ich war sehr aufgeregt vor meinem ersten Arbeitstag!

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